14.07.2019

Angst - das unterschätzte Leid, Teil 1

ngstlich.jpgAngststörungen sind weiter verbreitet als viele Katzenhalter denken. Sie liegen zwar bei den Verhaltensproblemen hinter Unsauberkeit, Harnmarkieren und Aggressionen, das liegt aber häufig daran, dass Angst bei Katzen verharmlost und hingenommen oder nicht als solche wahrgenommen wird: „Moritz versteckt sich immer, wenn Besuch kommt“, oder „Kira verkriecht sich immer ganz tief in ihrer Kratzbaumhöhle, wenn Trubel rundherum herrscht.“

Akut oder chronisch

Es wird unterschieden zwischen akuter Angst und chronischen Angstzuständen. Angst führt zu einer Stressreaktion im Körper und ist grundsätzlich wichtig, um Reaktionen im Organismus hervorzurufen, die der Katze im Falle von Gefahr hilft, schneller zu flüchten, um so ihr Überleben zu sichern.

Bei einer akuten Angstreaktion, z. B. vor bestimmten Geräuschen, Situationen oder vor bestimmten Menschen, steigt der Stresspegel kurzzeitig an. Die Katze beruhigt sich aber recht schnell wieder – der Organismus entspannt – wenn die „Gefahrenquelle“ verschwindet.

Belastend sind dauernde Angstzustände, die nicht durch spezifische Auslöser hervorgerufen werden. Hier unterliegt der Körper andauerndem Stress, der die Katze psychisch und körperlich auf Dauer krank macht.

Wie auch wie wir Menschen haben Katzen unterschiedliche Persönlichkeiten und jede reagiert daher individuell auf belastende Situationen.

Entwicklung

Hier werden schon vor der Geburt die Weichen gestellt: Eine entspannte Katzenmutter, die unter optimalen Bedingungen lebt, keinen Gefahren ausgesetzt ist, überträgt diese Gelassenheit auf ihre Nachkommen. Auch genetische Veranlagungen spielen eine große Rolle.

Sind die Kleinen auf der Welt, folgt die wichtige Prägephase während der ersten 7 Wochen. Haben die Babys das Glück, unter optimalen Bedingungen aufzuwachsen, erhalten sie in ihrer Entwicklung einen weiteren wichtigen Grundstein für die spätere emotionale Stabilität.

In der anschließenden Sozialisierungsphase, die nach neuesten wissenschaftlichen Studien bis zur 14. Lebenswoche andauern kann (je länger die Katzenkinder mit Mutter und Geschwistern zusammenleben, umso besser), lernen sie im Umgang mit der Mutter, den Geschwistern und dem Menschen, eine gesunde Frustrationsgrenze aufzubauen und sind so weniger anfällig für Stress.

Die Realität

Im echten Leben sind die Umstände in vielen Fällen alles andere als optimal. Kätzchen landen als Fundtiere mit und ohne Mutter im Tierheim. Trotz Aufklärung kommen immer noch viele ungewollte Katzen zur Welt und werden dann viel zu früh abgegeben oder gar ausgesetzt. Mit viel Glück landen manche Würmchen bei liebevollen Menschen, welche die Kleinen aufpäppeln – manche einzeln, andere werden in eine Katzengruppe integriert.

So vielschichtig das Leben der Kätzchen beginnt, so unterschiedlich entwickelt sich auch im weiteren Leben die Angst – alle Erfahrungen sowohl in den ersten Wochen, als auch im späteren Leben, haben einen großen Einfluss darauf, wie die Katze mit ihren Ängsten umgeht.

Akute Angst (Phobie)

Die meisten Katzeneltern kennen diese Form der Angst bei ihren Katzen. Klingelt es an der Tür, verschwindet Kira unterm Bett, Gipsy kann es nicht ertragen, wenn Frauchen mit Einkaufstüten nach Hause kommt – das Rascheln macht ihm Angst und er verharrt erstmal regungslos auf der Couch – beobachtet und wartet ab. Hermine springt von der Couch, sobald Frauchen den Stausauger hervorholt. Stellt sie ihn an, flüchtet sie mit angstgeweiteten Augen in Panik auf den Schrank.

Du kennst vielleicht noch weitere Beispiele, erkennst du das auch bei deinem Fellnäschen? Diese Angst lässt normalerweise nach, sobald der auslösende Reiz verschwindet und wird daher auch oft als nicht so schlimm“ hingenommen.

Trotzdem leidet die Katze, zwar nur kurz, aber mit der Zeit wird sie immer schneller auf diese Ereignisse mit Flucht reagieren.

Vielleicht ist deine Katze von der Türklingel auch nur kurz irritiert. Der Ton ist ihr unheimlich, sie flüchtet, kommt aber kurz darauf wieder zurück und zeigt keine weiteren Anzeichen der Angst. Hast du öfter Besuch, wird sich die Katze bei dieser milden Form der Angst mit der Zeit an den Klingelton gewöhnen und merken, dass nichts Schlimmes passiert.

Auch die emotional stabilsten Katzen können in Situationen geraten, die kurzfristig sehr belastend sind und Angst auslösen.

Mein Kater Tiger, der Anfang 2007 verstarb, war ein aktiver, entspannter, aufgeschlossener Kater, den selbst die Silvesterknallerei nicht schocken konnte. Sobald aber ein Tierarztbesuch anstand, verschwand er in die hinterste Ecke unterm Bett und einmal im Transportkorb, miaute er kläglich, bis wir in der Praxis ankamen. Nach diesem Erlebnis war er aber schnell wieder entspannt.

Wie viel schlimmer und manchmal traumatisch ist eine solche oder ähnliche Situation für eine ängstliche oder hoch sensible Katze? Du kannst dir das sicher vorstellen.

Das Gute daran: Du musst das nicht hinnehmen. Ich kann dir Wege zeigen wie du dir und deiner Katze z. B. den Transport zum Tierarzt erleichterst  oder wie du deine Katze an Alltagsgeräusche gewöhnst.

Es gibt allerdings auch Ereignisse, bei denen sich aus einer akuten Angst ein Angstzustand entwickeln kann: Nach einem traumatischen Erlebnis, an dem mehrere Katzen beteiligt sind, kann  durch eine umgerichtete Aggression bei einer sensiblen Katze eine chronische Angst entstehen. Zu diesem Thema erfährst du mehr in einem entsprechenden Artikel.

Chronischer Angstzustand

Wie anfangs schon beschrieben, gibt es bei dieser Form der Angst keinen bestimmten Auslöser. Hier befindet sich die Katze in einem andauernden Angstzustand - das Tier leidet extrem.

Der Mehrkatzenhaushalt

Die zierliche, schwarze Milli liegt in einer gemütlichen Kuschelhöhle. Nur ein Öhrchen ist zu sehen. Sie scheint zu schlafen.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass sie sehr angespannt wirkt: Sie hat sich zusammengerollt, somit den empfindlichen Bauch geschützt, die Schnurrhaare eng angelegt und die Augen zusammengepresst, die Stirn wirkt angestrengt. Dieser Schlaf ist alles andere als entspannend und sie wird daraus auch nicht ausgeruht erwachen.

Was Milli zeigt, ist der so genannte Verteidigungsschlaf, ein deutliches Anzeichen von Stress, für ungeübte Augen sehr schwer zu erkennen.

Anmerkung:

Achte doch mal darauf, wenn du ein Tierheim besuchst. Dort wird natürlich versucht, passende Charaktere zusammen in einem Zimmer zu halten, aber Katzen sind Meister der Anpassung. Das wahre Wesen einer Katze entfaltet sich im Tierheim oft nicht und sehr sensible Tiere versuchen, sich mithilfe des Verteidigungsschlafs den Blicken zu entziehen, wenn sie der Situation nicht entkommen können (seh ich dich nicht, siehst du mich auch nicht).

Das Gespenst der Angst

Milli verlässt nur selten ihre sichere Höhle. Sie lebt mit einer weiteren Katze und zwei Katern zusammen, einer davon ist ihr Bruder Brummi. Bevor sie sich aus ihrem geschützten Rückzugsort wagt, versucht Milli die Lage abzuschätzen.

Wo sind die anderen? Ist die Luft wirklich rein? Bei der kleinsten Bewegung zieht sie sich sofort zurück.

Milli verlässt die Höhle, ihre Körperhaltung ist geduckt, der Kopf unter die Rückenlinie gesenkt, Vorder- und Hinterbeine sind eingeknickt, die Ohren zur Seite gelegt, die Pupillen leicht erweitert, der Schwanz verschwindet zwischen den Beinchen. Sie bewegt sich langsam, fast schleichend, hält die Umgebung ständig im Auge.

„Da! Hat sich auf dem Kratzbaum nicht etwas bewegt? Ok, das war Amy, die sich gähnend kurz gestreckt hat – puh, nochmal gut gegangen.“

Milli spürt ein dringendes Bedürfnis – sie möchte eine der Katzentoiletten aufsuchen. Ihr Pech, dass alle Klos in anderen Räumen sind und sie dafür an ihrem Bruder Brummi, dem Raufbold, vorbei muss. Als die Beiden Babys waren haben sie sich gut verstanden, aber seit Brummi im Flegelalter ist, scheint er etwas gegen sie zu haben. Er will nur noch raufen und prügeln. Für die sensible Milli einfach zu viel.

Brummi hat Milli entdeckt. Noch bevor er aufspringt, um sie zu jagen, löst sich Milli auf dem Teppichläufer und verschwindet hinter der Couch…

Chronische Angstzustände gehören zu den häufigsten Verhaltensproblemen im Mehrkatzenhaushalt.

Da die Anzeichen meistens schleichend beginnen und sehr subtil sind, werden sie oft nicht als Angst wahrgenommen. Dauert dieser Zustand über Wochen oder Monate an, befindet sich der Organismus längst in einem permanenten Stresszustand.

Aus den psychischen Problemen entwickeln sich körperliche Symptome und nicht zuletzt schwere Erkrankungen. Umgekehrt können aber auch Krankheiten zu Angstzuständen führen.

Es ist daher sehr wichtig, dass deine Katze bei länger andauernden Angststörungen vor einer Verhaltensberatung immer gründlich vom Tierarzt untersucht wird, um organische Ursachen auszuschließen.

Hast du Fragen? Buche dir hier ganz unverbindlich ein kostenloses Erstgespräch und lass uns ganz entspannt über deine Situation reden.

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Admin - 20:28 @ Verhalten | Kommentar hinzufügen

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